
Faszinierende Metropole Neapel
Paläste, Pizza, Lebensart
Mit milden Temperaturen wartet in Neapel das Frühjahr auf. Parkanlagen und Gärten der Stadt stehen in voller Blüte und erste hartgesottene Einheimische oder ostseegewohnte Touristen stürzen sich an der Amalfiküste in die Fluten. Bella Napoli: Die Frühlingssonne lockt auf die Promenade von Mergellina, während in der Ferne der majestätische Vesuv grüßt. Die laute, aufregende, hier und da dreckige und absolut faszinierende süditalienische Metropole zieht ihre Besucher unwiderstehlich in ihren Bann.

Erfreulich für den Besucher: Neapel steht auch für Touristen mit schmalem Geldbeutel offen. Durch die engen Gassen der Alstadt zieht der Duft von frischem Espresso und Pizza. Leckeres Streetfood, wie etwa im „Tarallo“, ist nicht nur gut, sondern auch recht preiswert. In der maritimen Variante des Cuoppo di Fritture befinden sich neben Seetang Calamari-Ringe, Sardellen, Stockfisch und gebratener Oktopus. Alles ganz frisch und lecker zubereitet.
Was gibt es nicht alles für negative Vorurteile über Neapel, die drittgrößte italienische Stadt nach Rom und Mailand? Da ist zum einen die Camorra, wie sich die Mafia hierzulande nennt. Dann tauchen die Müllberge regelmäßig in den Schlagzeilen hiesiger Blätter auf. Schließlich warnen Neapelreisende immer wieder vor Taschendieben und Abzocke in Restaurants. Auch wenn diese Erfahrungen nicht von der Hand zu weisen sind, entschädigt der Blick vom Castell Sant’Elmo über die Stadt im Sonnenuntergang beinahe für alles. Die Traumaussicht ist leicht mit dem Funicolare di Montesanto zu erreichen. Und als ich etwas unsicher durch die Gassen der Altstadt irre, wird ein liebenswerter Wesenszug der Neapolitaner deutlich: Eine ältere Signora ließ sich nicht beirren und bringt mich zur Talstation der Seilbahn. Beinahe hätte sie mich noch begleitet auf die Burg, aber ich machte ihr klar, dass ich mich schon selbst zurechtfinden würde! Was nicht so einfach ist, denn der Trubel auf den Straßen ist wirklich erdrückend. Neapel: „Liebe es, oder lass‘ es!“ Am Ende des ersten Tages entscheide ich mich klar für ersteres und habe es nicht eine Sekunde bereut!
Natürlich kann man die Stadt mit dem Auto erschließen, doch wir ziehen es vor, zu Fuß auf Entdeckungstour zu gehen! Die richtige Entscheidung. Bei einer Fahrt im Taxi mit der einen oder anderen Herzattacke, über die der Chauffeur herzlich lachen konnte, erscheint mir die Rushhour auf deutschen Straßen nahezu dörflich. Dafür gibt es ein relativ gut ausgebautes Netz an Bussen, zwei U-Bahn-Linien und vier Seilbahnen. Auch wenn die Buslinien überwiegend außerhalb der Altstadt verkehren, stehen sie zumeist genauso im Stau. Apropos: Wer den Besuch des Vesuvs plant, nutzt den Bus „Vesuvio Express“ vom Bahnhofsvorplatz in Herculaneum. Den Fahrschein löst Du online, am besten in Kombination mit dem Eintrittsticket zum Vesuv.
Nicht eben überraschend ist im katholischen Süden Italiens die unfassbare Zahl und Pracht der Kirchen. Der wichtigste Sakralbau in Neapel ist zweifellos der Duomo di San Gennaro, der für den Stadtheiligen San Gennaro erbaut wurde. Nicht minder beeindruckend ist der Kreuzgang im Konvikt Santa Chiara. Die Säulen sind mit üppigen farbigen Majolikafliesen verkleidet. Die Wände zeigen Fresken mit Szenen von Heiligen und aus dem Alten Testament aus dem 17. Jahrhundert.
Rein von der Baumasse wirkt die Kirche San Francesco di Paola gegenüber dem Palazzo Reale erdrückend. Der gewaltige Sakralbau wurde 1836 geweiht und erinnert an das Pantheon in Rom. Beidseits säumen Säulengänge die Piazza del Plebiscito. Die weitläufige Platzanlage aus dem 19. Jahrhundert sprengt den Maßstab der eng bebauten Altstadt. Das Königsschloss vis-à-vis an der Piazza geht ins frühe 16. Jahrhundert zurück. Nach mehreren Umbauten beherbergt die einstige Königsresidenz heute Museen, in denen Skulpturen, Porzellan, seltene Uhren und eine wunderschöne neapolitanische Weihnachtskrippe aus dem 18. Jahrhundert zu bestaunen sind.
Das Gewirr der Altstadt (centro storico) durchzieht eine lange, schnurgerade Straße. Die Einheimischen nennen diese gern Spaccianapoli, obwohl es sich bei genauerem Hinsehen um sieben verschiedene Straßen(namen) handelt. Wer sich schwer orientieren kann, findet die Straße hinauf und herunter zahlreiche Geschäfte mit Souvenirs, Feinkost, Kunsthandwerk und Antiquitäten. Nicht vergessen: Wir sind in Neapel. Das verspricht extremes Gewusel, hupende Roller und laut schreiende Einheimische. Spaccare bedeutet auf Italienisch spalten. Tatsächlich teilt der Straßenzug das historische Zentrum in zwei Teile. Auf einer Länge von drei Kilometern ist es nicht verwunderlich, dass beidseits eine schiere Unmenge an Kirchen, Palästen, Denkmalen und Klöstern prangt.
Die berühmte Via San Gregorio Armeno, die Straße der Krippenbauer, geht von Spaccianapoli ab und lohnt den Besuch. Übrigens prägt die neapolitanische Weihnachtskrippe nicht die uns bekannte, christliche Symbolik, vielmehr handelt es sich um kleine Städte mit Marktplätzen, Pizza-Ständen, Händlern oder eben Diego Maradona. Denn beinahe so heilig wie der christliche Glaube ist den Neapolitanern der Fußball. Der SSC Neapel ist eng verbunden mit dem argentinischen Meisterfußballer, der hier von 1984 bis 1991 auflief. In diese Zeit fielen zwei Meistertitel und der Gewinn des UEFA-Pokals 1989. Für die außerordentliche Strahlkraft Maradonas spricht, dass Neapel in den 1980er Jahren die höchsten Zuschauerzahlen eines Klubs weltweit verzeichnete. Sein Vermächtnis ist bis heute lebendig, wie zahlreiche Wandbilder beweisen. Seit seinem Tod trägt das Stadion des SSC Neapel den Namen „Stadio Diego Armando Maradona“. Und wer sich den Fußballer als Krippenfigur mit nach Hause nehmen möchte, kann zwischen feinster Schnitzkunst und billigem Kunststoff wählen.
An der Statue des Kaisers Augustus unweit der Piazza Plebiscitoa startet mein Gang über die Hafenpromenade. Hier lasse ich mir die Burg „Castel Nuovo“ aus dem 13. Jahrhundert nicht entgehen. Gerade in der Abendsonne ist der eklektizistische Bau mit seinen Triumphbögen und Türmen ein tolles Fotomotiv.
Wort: Uwe Schieferdecker / Bild: Torsten Reineck