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Karlsbrücke und Kleinseitner Brückenturm

Karlsbrücke und Kleinseitner Brückenturm

Prag voller Melancholie und Genuss

Goldener Herbst


Wenn die ersten zarten Sonnenstrahlen die Prager Burg in ein strahlendes Licht tauchen, ist der Gang über die Karlsbrücke vielleicht am schönsten. Noch hält sich die Zahl der Händler und Touristengruppen, die aufgeregt hinter der Führerin mit dem hochgehaltenen bunten Regenschirm hereilen, in Grenzen. Um diese Tageszeit erliegen auch härteste Gemüter dem Charme des "Goldenen Prags".
Das Zentrum ist für eine 1,4-Millionen-Stadt angenehm überschaubar. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten können in drei Tagen erlaufen werden. Wer jedoch eintauchen will in die Prager Lebensart, der sollte ruhig ein paar Nächte dranhängen. Die tschechische Metropole ist für eine Touristenhochburg dieser Art preislich immer noch sehr angenehm. Das betrifft Restaurants, Museen und Hotels gleichermaßen. Gut möglich, dass sich das in den nächsten Jahren verändert - Prag im Jahr 2030 vielleicht deutlich teurer und dafür etwas weniger überlaufen sein wird? Noch klagt die Tourismusbranche coronabedingt über Milliardenverluste. Touristiker sehen darin eine Chance: Weg vom Overtourismus mit Alkohol und wilden Partys, hin zu mehr Qualität und Lebensart.
Eine Chance für weniger überlaufene Straßen und Plätze bietet der wunderschöne Spätsommer und Herbst. Denn eins muss klar sein: Ohne die Überquerung der Moldau von der Altstadt zur Kleinseite auf der pittoresken Karlsbrücke darf man Prag nicht verlassen. Und das macht in der Nebensaison eben viel mehr Spaß. Mit wenig Phantasie lässt sich erahnen, dass sich die Zahl der Langfinger im Hochsommer überproportional zur Zahl der Touristen bewegt.
Jenseits der Moldau erhebt sich der Prager Burgberg etwa 70 Meter über dem Gassengewirr der Malá Strana, zu gut deutsch "Kleinseite". Der Stadtteil zu seinen Füßen hat einiges zu bieten. Beherrscht wird die Kleinseite vom St.-Niklas-Dom mit einer 75 Meter hohen Kuppel in der Art des Petersdoms in Rom. Hier lohnt der Besuch des Kircheninneren: Der Maler Johann Lukas Kracher schuf ein 1.500 Quadratmeter großes Deckenfresko mit einer Landschaft mit Hafen und Leuchtturm: Namensgeber Niklas ist schließlich der Gott der Händler. Sehenswert auf der Kleinseite ist ebenso das Wallensteinpalais mit dem vorgelagerten Garten.

Blick über die Moldau zur Karlsbrücke und zur Altstadt

Blick über die Moldau zur Karlsbrücke und zur Altstadt

Das Nationalmuseum am Wenzelsplatz

Das Nationalmuseum am Wenzelsplatz

Der Bummel durch die beschaulichen Gassen am Flussufer gleicht einer Zeitreise

Der Bummel durch die beschaulichen Gassen am Flussufer gleicht einer Zeitreise


Der Hradschin gilt nach der Marienburg des Deutschen Ordens im heutigen Polen als das größte geschlossene Burgareal der Welt. Auf dem Weg hinauf säumen prachtvolle Bürgerhäuser die Nerudagasse. Wohl jedes Haus könnte hier eine eigene Geschichte erzählen. Unzählige Hotels, Kneipen oder Läden bieten sich dem Touristen an. In den alten Gebäuden führen Treppen in ehrwürdige Keller mit Gewölben hinab, wo dem Besucher schmackhafte böhmische Küche und Biere kredenzt werden. Nur wenige Schritte südlich stoßt man auf die deutsche Botschaft im barocken Palais Lobkowicz.
Prag bietet sehr viel mehr, aber ohne den Hradschin und den Besuch des St.-Veits-Doms geht es einfach nicht. Die Ursprünge des Schlosskomplexes reichen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Seit jeher befindet sich dort das Machtzentrum Böhmens. Noch heute residiert hier der Präsident der Tschechischen Republik. Eines der beliebtesten Fotomotive ist die stündliche Wachablösung im Ehrenhof. Unweit wartet das Lustschlösschen der Königin Anna, welches König Ferdinand I. im 16. Jahrhundert im Renaissancestil errichten ließ, mit Ausstellungen von Kunst und Kunsthandwerk auf.
Hier auf der Prager Burg drehte übrigens Tom Cruise 2011 mit dem "Phantom Protokoll" den vierten Teil der Filmreihe "Mission Impossible". Die Stadt diente jedoch nur als Kulisse, spielte die Handlung doch in Moskau. Zehn Jahre zuvor flüchtete der Schauspieler im ersten Teil als Geheimagent Ethan Hunt am Flussufer und durch die Straßen des damals noch etwas grauen Prag.

Alter Jüdischer Friedhof aus dem 15. Jahrhundert

Alter Jüdischer Friedhof aus dem 15. Jahrhundert

Idyllischer Blick vom Hanavský Pavilon über die Dächer der Stadt

Idyllischer Blick vom Hanavský Pavilon über die Dächer der Stadt

Romantische Gasse am Flussufer, in der Szenen von Mission Impossible I gedreht wurden

Romantische Gasse am Flussufer, in der Szenen von Mission Impossible I gedreht wurden

St. Nikolas Kirche am Malostransker Platz

St. Nikolas Kirche am Malostransker Platz


Auf eine ganz andere, sehr reale Geschichte stößt der Besucher im einstigen jüdischen Viertel der Hauptstadt. Prag beherbergt die aus dem Jahr 1270 stammende und damit älteste erhaltene jüdische Synagoge Europas. Besonders verehrt wird der Rabbi Löw, der auf dem Alten Jüdischen Friedhof beigesetzt ist. Auf seinem Grabstein legen Gläubige Zettel mit ihren Wünschen ab. Der Friedhof existiert seit dem Mittelalter, aus Platzmangel erfolgten die Beisetzungen in zwölf Lagen übereinander. Der Besucher erlebt die Nekropole als mystischen Ort. Der deutsche Schriftsteller Hermann Goedsche missbrauchte den Friedhof als Schauplatz der Schlüsselszene im 1868 erschienen antisemitischen Sensationsroman "Biarritz". Die Vertreter der zwölf Stämme Israels hätten hier ihren langfristigen Plan zur Erringung der Weltherrschaft beraten. Die Nationalsozialisten nutzten dann das Skript als Grundlage für ihre antisemitischen Verschwörungstheorien.
Breit ist das Angebot Prags am Abend. Riesige Clubs und kleine Keller-Bars, die beliebten Biergärten und natürlich das recht touristische, gewaltige Hofbrauhaus "U Fleku" warten im Vergleich zu Partydestinationen wie Barcelona und Amsterdam mit äußerst moderaten Preisen auf. Das Karlovy Lázne gilt als größter Club Mitteleuropas mit ganz unterschiedlichen Angeboten von Hip-Hop, 80er oder Chillout-Area auf fünf Etagen. Prags heißeste Location ist das "Sasazu" mit einer bunten Mischung von Gästen, Studenten ebenso wie Touristen. Der Eintritt liegt bei zehn Euro.
Eine ausgesprochene Spezialität sind die Schwarzlichttheater, Prag ist die Hauptstadt dieser Kunst. Erstaunlichste Effekte werden durch UV-Licht und fluoreszierende Gegenstände wie Kleidungsstücke erzielt und begeistern Kinder wie Erwachsene. Namhafte Black Light Theatre sind das Broadway, das Fantastika und das Srnec unweit des Wenzelsplatzes. Bedeutendstes Theater und Opernhaus der Stadt ist aber das wie eine Primadonna am Ufer der Moldau thronende Nationaltheater. Lage und Ausstattung machen es zu einem der nationalen Symbole der Tschechen. Ein herrlicher Platz, um den Tag in der Goldenen Stadt würdig ausklingen zu lassen.

Wort: Uwe Schieferdecker / Bild: Torsten Reineck


Gelebte Nostalgie in den Gassen der Altstadt

Gelebte Nostalgie in den Gassen der Altstadt

Lustschlösschen der Königin Anne im Königlichen Garten mit der Prager Burg im Hintergrund

Lustschlösschen der Königin Anne im Königlichen Garten mit der Prager Burg im Hintergrund

Nationaltheater

Nationaltheater

Vergangenheit und Gegenwart

Vergangenheit und Gegenwart